Erstveröffentlichung: 28.05.2022
Als Kind wollte ich Lehrerin werden – anderen etwas beibringen und sie auf ihrem Weg begleiten, das fand ich spannend. Dass ich 30 Jahre später nebenberuflich selbstständig bin, war damals noch so gar nicht abzusehen. Rückblickend betrachtet war dieses „andere auf ihrem Weg begleiten“ schon früh Teil meiner Arbeit. Wie es dann kam, dass ich Coach wurde, kannst du in diesem persönlichen Rückblick lesen.
- 1983 – Arbeitende Mama als Vorbild
Meine Mama ist in ihren Beruf zurückgekehrt als ich in den Kindergarten kam. Sie hat drei Jahre nicht gearbeitet, U3-Betreuung gab es in den 1980er Jahren bei uns noch nicht. Aber als ich dann vormittags im Kindergarten war, ist sie wieder in Teilzeit arbeiten gegangen. Mittags hat sie mich aus dem Kindergarten abgeholt und war dann für mich da. Ich bin also mit einer arbeitenden Mama groß geworden.
2. 1990 – Selbst zurecht kommen
Meine Eltern haben beide kein Abitur, ich bin nach der Grundschule direkt aufs Gymnasium gegangen. Sie konnten mir nicht viel helfen, wenn ich in der Schule etwas nicht verstanden habe. Somit musste ich mich anders organisieren und mir selbst helfen. So habe ich früh gelernt, Freundinnen zu fragen. Ich glaube, dadurch wurde ich selbstständiger und habe gelernt, wie ich am besten lernen kann.
3. 1993 – Praktikum in der Bank
In der 8. Klasse machte ich ein Praktikum in einer Bank. Ich weiß gar nicht mehr, warum ich das dort machen wollte. Ich weiß nur, dass es mir so gut gefallen hat, dass ich mir tatsächlich vorstellen konnte, diesen Beruf nach der Schule zu ergreifen.
4. 1999 – Ausbildung in der Bank
Und so kam es dann auch. Nach dem Abitur fing ich eine Banklehre an. In dieser Zeit lernte ich auch meinen jetzigen Mann kennen. Denn er machte auch eine Bankausbildung. Die vielen verschiedenen Abteilungen haben mir einen breiten Einblick gegeben, aber schon in der Ausbildung war für mich klar, in die Filiale möchte ich nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, der 80jährien Oma einen Bausparvertrag zu verkaufen. Okay, das ist jetzt natürlich etwas übertrieben, aber Zahlendruck gab es damals schon und das wollte ich nicht. Aber die Kreditabteilung hat mir sehr gut gefallen, das konnte ich mir schon eher vorstellen. Leider gab es nur wenige Trainee-Stellen in der Kreditabteilung und die Bereitschaft zur Mobilität musste auch vorhanden sein. Aber ich bewarb mich trotzdem und bekam eine der drei Stellen.
5. 2001 – Arbeiten und Studium
Parallel zum Traineeprogramm begann ich ein Studium an der Bankakademie. Auch das war Voraussetzung für die Traineestelle, dass man den Bankfachwirt macht. Also habe ich an zwei Abenden in der Woche, später an drei, die Schulbank gedrückt und wurde Bankfachwirtin. Später habe ich in Gesprächen immer erzählt, ich habe „nebenbei“ studiert. Bis mich ein Kollege mal darauf hingewiesen hat, dass sich das so leicht anhört. Seitdem habe ich „nebenberuflich“ studiert. Nach der Traineezeit bekam ich eine Stelle in der Kreditabteilung in Frankfurt und der Job hat mir viel Spaß gemacht. Ich hatte noch keine Idee, welcher Schritt als nächstes kommen würde, aber das eilte für mich auch nicht. Nach dem Bankfachwirt blieb ich der Bankakademie treu und habe noch den diplomierten Bankbetriebswirt abgeschlossen.
6. 2005 – Führungskraft mit 25
Mein Chef fragte mich bei einem Feedbackgespräch, welchen Weg ich einschlagen wollte, ob ich in die Kreditentscheidung gehen wollte oder eher Führungskraft werden wollte. Die Sache mit der Führungskraft konnte ich mir eher vorstellen. Azubis, Trainees und sonstige Durchläufer waren meistens bei mir und mir machte es großen Spaß mein Wissen weiter zu geben und die jungen Kolleginnen und Kollegen an die Hand zu nehmen.
Um Führungskraft zu werden, musste ich ein Assessmentcenter absolvieren und daran schloss sich eine interne Fortbildung an. Rückblickend hing an diesem Assessmentcenter ganz schön viel. Schließlich war es die Voraussetzung, um die Stelle als Teamleiterin zu bekommen. Mit guter Vorbereitung durch meinen Chef habe ich das AC tatsächlich bestanden, was nicht selbstverständlich war. Einige Kollegen aus dem Kreditbereich sind vor mir durchgefallen. So wurde ich also mit 25 Jahren Teamleiterin im Kreditbereich, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Team waren älter als ich, aber durch mein Fachwissen konnte ich eventuelle Unsicherheiten in der Führung wett machen.
7. 2006 – Wechsel in den Firmenkundenbereich
Irgendwann zeichnete sich ab, dass es Veränderungen geben würde. Es war die Rede davon, dass die einzelnen Arbeitsschritte geteilt werden sollten und nicht mehr jeder alles machen sollte. Das konnte ich mir nicht vorstellen.
Ich hörte von einer neuen Stelle im Firmenkundenbereich. Dort wurde die Kreditbearbeitung für kleine Kredite auf die Marktseite verlegt. Für diese Gruppe hat man noch eine Führungskraft gesucht. Ich habe lange überlegt, ob man mich da mit 25 Jahren nehmen würde und war eigentlich der Meinung, ich bin zu jung für diesen Bereich. Ich bewarb mich aber trotzdem und bekam die Stelle überraschenderweise. Die Arbeit dort war sehr spannend, es war ein komplett neues Team, keiner wusste so richtig, wie die Kredite zu bearbeiten sind. Mit der Zeit gewannen wir alle mehr Routine und wir wurden ein starker Partner mit dem Vertrieb am Kunden.
8. 2009 – Erste Elternzeit und Rückkehr
Mittlerweile hatte ich geheiratet und ich wurde schwanger. Ich war die erste Führungskraft meines Chefs, die schwanger wurde und er war etwas überfordert. Zur Rückkehr nach der Elternzeit trafen wir keine konkreten Absprachen, als ich in Mutterschutz ging. Ich war der Meinung, dass würde sich alles zeigen, und vielleicht wollte ich ja auch gar nicht so schnell zurück. Doch da kannte ich mich schlecht. Nach einem Jahr wollte ich zurück in den Job. Mein Chef machte mir aber ziemlich deutlich, dass Führen in Teilzeit für ihn nicht möglich war. Das war’s dann erstmal mit der Gruppenleiterin. Ich kam in mein altes Team zurück und hatte einige Sonderthemen, aber keine Führungsverantwortung mehr.
9. 2011 – Zweite Elternzeit
Schnell wurde ich unzufrieden und mein Mann und ich überlegten, direkt das zweite Kind zu bekommen oder ich musste mir was anderes in der Bank suchen. Da es mit der ersten Schwangerschaft nicht direkt geklappt hatte, fuhren wir sozusagen „zweigleisig“: ich hörte mich in der Bank nach einer neuen Stelle um und parallel „arbeiteten“ wir am zweiten Kind.
In der Bank wurde ich nicht müde zu erwähnen, dass Führen in Teilzeit oder im Jobsharing funktionieren kann. Irgendwann stieß ich auf eine Abteilungsleiterin, die das ähnlich sah. Ich hatte also einen neuen Job in Aussicht. Überraschenderweise wurde ich ziemlich zeitgleich aber auch schwanger. Die Abteilungsleiterin hatte damit überhaupt kein Problem und stellte mir den Job für die Rückkehr nach meiner Elternzeit in Aussicht.
10. 2013 – Ausbildung zum Coach ohne konkretes Ziel
Neuer Job und zwei Kinder liefen recht gut. Wir hatten uns gut organisiert, an zwei Tagen in der Woche unterstützten uns die Omas, so dass ich länger arbeiten konnte. Als unser Sohn drei Jahre alt war, war ich auf einem Seminar, wo es um die Lebensarbeitszeit ging. Wir sollten reflektieren, was wir schon erreicht haben und was wir noch erreichen wollen. Da wurde der Wunsch nach einer Ausbildung zum Coach geboren und ein Jahr später fand ich die passende Ausbildung. Was ich damit anfangen wollte, wusste ich damit noch gar nicht.
11. 2014 – Frauen ermutigen
Schon während der Ausbildung zum Coach zeichnete sich ab, dass mir das so viel Spaß macht, dass ich das weiter anwenden möchte. Ich bekam immer wieder gespiegelt, dass ich eine starke Frau sei und andere Frauen unbedingt ermutigen müsse. Am Ende der Ausbildung wusste ich, dass ich Mamas bei der Rückkehr nach der Elternzeit unterstützen möchte. Denn wenn ich besser vorbereitet in die erste Elternzeit gestartet wäre und mir konkret überlegt hätte, was ich will, wäre ich vielleicht nicht so schnell unzufrieden gewesen.
12. Heute – Nebenberuflich selbstständig
Heute bin ich nebenberuflich selbstständig. Die Themen sind etwas breiter geworden. Ich bin nun Coach für Frauen, die nicht nur Mama sein wollen. Ich ermutige Mamas trotz Familie ihren eigenen Weg zu gehen und sich und die eigenen Bedürfnisse nicht immer hinten an zustellen. Der Job in der Bank hat sich auch ziemlich verändert, ich arbeite nicht mehr so viel wie nach der zweiten Elternzeit, um mehr Zeit für meine Selbstständigkeit zu haben.
Wie bin ich nun zu dem geworden, was ich heute bin? Ich glaube, ich habe Chancen ergriffen, die sich ergeben haben. Ich war mutig und bin oft einfach ins kalte Wasser gesprungen, ohne zu wissen, ob es klappt oder wo es mich hinführt.